Digitale Transformation im Personalwesen
Die digitale Transformation und das damit verbundene Datenwachstum ist in aller Munde. Ist das Personalmanagement ebenfalls betroffen?
Aber wie! Auch die Digitalisierung personalwirtschaftlicher Prozesse bewirkt eine zunehmend wachsende Menge an HR Daten, welche auch als „Big Data“ bezeichnet werden.
Erfolgreiches Personalmanagement im digitalen Wandel baut auf der systematischen Nutzung und Analyse dieser HR-bezogenen Daten auf. Kein Unternehmen kann es sich wirklich leisten die Fakten aus den HR Daten unberücksichtigt zu lassen, um eine möglichst personalisiertes Personalmanagement zu gestalten. Insbesondere der in den letzten Jahren an Bedeutung gewinnende HR Trend einer gelungenen Employee Experience beruht auf der strategischen Verwendung von HR Daten sowie Feedback der Mitarbeiter:innen.
Begriffschaos bei HR Datenanalysen
Dabei wird datengestütztes Personalmanagement weltweit mit einer Vielzahl von verschiedenen Begriffen bezeichnet: So spricht man von „People Analytics“, „HR Analytics“, „EX Analytics“, „Workforce Analytics“, „Talent Analytics“, „HR Reporting“ oder „HR Controlling“ – um nur die Gängigsten zu nennen. Vereinzelt folgen auch die Begriffe „Insights“ oder „Intelligence“ auf die verschiedenen Suffixe oder es seit Neustem wird auch der Begriff „People Science“ in diesem Kontext verwendet. Doch was steckt wirklich hinter diesen Begriffen und HR Analysen? Ist die Definition von HR Analytics eine andere als die für People Analytics?
Fakt ist: Bei all diesen Begriffen den Durchblick zu behalten, ist für HR Professionals nicht immer so einfach. Das gilt insbesondere dann, wenn Softwareanbieter ihre jeweilige USP an diesen Begrifflichkeiten festmachen. Ein Beispiel: „Im Gegensatz zur Konkurrenz bieten wir Ihnen Talent Insights!“.
Deshalb soll dieser Beitrag etwas Licht ins Dunkel bringen und das Begriffschaos entwirren. Während es natürlich in jedem Fall um die konsequente Nutzung von Daten und Datenanalysen zur Entscheidungsfindung im Personalmanagement geht, lassen sich dennoch wichtige Unterschiede erkennen. Bei genauer Betrachtung lassen sich die Bezeichnungen HR Analytics, People Analytics und Co. auf mindestens zwei Dimensionen sinnvoll unterscheiden:
1)
das Ziel der Analyse und
2)
der Gegenstand der Analyse.
HR Analytics - Wir analysieren das Personalmanagement!
Das weltweite Suchvolumen der letzten Jahre bestätigt, dass HR Analytics sicherlich einer der populärsten Begriffe ist. Das Ziel von HR Analytics liegt in der Evaluation des Personalmanagements und der Qualität der Arbeitssituation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Gegenstand der Analysen ist also die Personalabteilung selbst sowie die zentralen HR Prozesse. Die Gestaltung der bestmöglichen Arbeitsplätze und die Steigerung der Prozess-Effizienz bzw. Servicequalität der HR Abteilung stehen im Mittelpunkt (Stichwort: „Operative HR Exzellenz“).
Häufig wird HR Analytics also dazu eingesetzt, die Erfolgswirkung einzelner HR Maßnahmen zu evaluieren, eine Detailanalyse von HR Prozesszeiten vorzunehmen oder die interne HR Servicequalität zu analysieren.
Mögliche HR Analytics Fragestellungen können so aussehen:
- Wie wirkt sich ein Führungskräftetraining auf die Führungsqualität im Unternehmen aus?
- Wie wirkt sich eine Trainingsmaßnahme auf die Umsatzentwicklung des Unternehmens aus?
- Welche Auswahlinstrumente (z.B. Assessment Center, strukturierte Interviews, Chat Bots, Probearbeit) haben die höchste prognostische Qualität für die spätere Arbeitsleistung?
People Analytics - Wir verstehen die Motive und Bedürfnisse von Mitarbeitergruppen!
Im Gegensatz zu HR Analytics geht es bei People Analytics stärker darum, die Bedürfnisse und Motive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zu verstehen. Das Ziel ist also über dieses bessere Verständnis ein proaktives und personalisiertes Personalmanagement zu ermöglichen.
Es können etwa die Faktoren bestimmt werden, die das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders stark fördern. Diese Faktoren können im Anschluss gezielt über Personalmaßnahmen angesteuert werden. Beispielsweise könnte sich in den Daten zeigen, dass das Engagement von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit zunehmender Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnort abnimmt. Basierend auf dieser Erkenntnis kann mit gezielten, zielgruppenspezifischen Maßnahmen, wie zum Beispiel Flexibilisierungsmöglichkeiten mit der Einführung von Home-Office, entgegengewirkt werden. Das hat den Vorteil, dass das Personalmanagement nicht dem teuren „Gießkannenprinzip“ folgt, sondern auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen zugeschnitten wird. Das ist schlichtweg effektiver.
Zugleich dient People Analytics der Förderung von Produktivität, Engagement, Bindung und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von allen Begriffen baut People Analytics damit eine Querschnittsexpertise entlang des Mitarbeiterpfads (Finden, Entwickeln, Binden) auf. People Analytics beantwortet komplexere Fragen über einzelne Datensilos hinweg und liefert damit einen strategischen Wertbeitrag.
Weitere Beispiel:
- Über welche Recruiting Kanäle kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die später am zufriedensten sind? Über welchen Kanal kommen die meisten Bewerbungen und was sind die Kosten pro Bewerbung?
- Inwieweit senkt eine exzellente Candidate Experience die spätere Kündigungswahrscheinlichkeit neu eingestellter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
- Was sind die Haupttreiber von freiwilligen Kündigungen in Abhängigkeit der verschiedenen Jobgruppen und Betriebszugehörigkeiten in unserem Unternehmen?
- Welches Fluktuationsrisiko weisen die derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den nächsten 12 Monaten auf?
- Welche Dimensionen der Führungsqualität steigern die Mitarbeiterbindung in unserem Unternehmen?
Besonders spannend sind bei der Anwendung von People Analytics die zugrundeliegenden Analyseverfahren. Diese reichen von einfacher deskriptiver Statistik über die Analyse von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen bis hin zu KI-gestützten prädiktiven Analysen (auch predictive analytics).
Von Mittelwerten zu Künstlicher Intelligenz – Reifegrade von People Analytics
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Use Cases, um für konkrete HR-Fragestellungen zielgerichtete Analyseverfahren auszuwählen!
EX Analytics - Wir gestalten die Employee Experience!
Ein bisher weniger verbreiteter Begriff ist EX Analytics, welcher als eine Weiterführung von People Analytics bzw. ein spezialisierter Einsatz von People Analytics zu verstehen ist. Das heißt es geht bei EX Analytics verstärkt darum, die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zu verstehen und deren Feedback ernst zu nehmen. Das Ziel ist also über dieses bessere Verständnis mit gezielten Maßnahmen eine positive und personalisierte Employee Experience zu gestalten.
Der Gegenstand der Analyse sind also die Mitarbeitererfahrungen auf der Reise durch das Unternehmen. Dabei lassen sich einzelne „Touchpoints“ an den Stationen entlang des Mitarbeiterpfads evaluieren.
EX Analytics kombiniert operative HR Daten mit Befragungsdaten, um mit einer systematischen Herangehensweise handlungsweisende Erkenntnisse für konkrete auf die Employee Experience bezogene Fragestellungen zu generieren. Der wahre Nutzen zeigt sich darin, dass durch die Verwendung der HR Daten ein eher „softes“ Thema wie die Employee Experience mit fundierten Entscheidungen unterstützt wird.
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Durch die gezielte Einflussnahme auf die Erfahrungswelt der Mitarbeiter lassen sich eine Vielfalt von Employee Experiences auf die Bedürfnisse der Mitarbeitergruppen ausrichten, darunter unter anderem die
- Candidate Experience
z.B. der Kontakt mit Recruitern, Fachabteilungen und Bewerbungstools im Bewerbungsprozess - Onboarding Experience
z.B. das erste Treffen mit dem Manager am ersten Arbeitstag (Onboarding Prozess) - Leadership Experience
z.B. die Führungsqualität des direkten Vorgesetzten oder die Führungserfahrung in Remote Work Kontext
mehr dazu in diesem Beitrag: Remote Leadership - Change Experience
z.B. Feedback und Mitarbeitermitspracherecht in unternehmensspezifischen Angelegenheiten (employee voice) - Remote Work Experience
z.B. die Zusammenarbeit im Team mit virtuellen Kommunikationstools
- Offboarding Experience
z.B. die Vorbereitung und feierliche Verabschiedung vor dem Rentnereinsteig.
Zudem wirkt sich erfolgreiches EX Analytics ebenfalls auf mitarbeiterbezogene Kennzahlen wie die Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation, Employee Engagement, Bleibeintention, etc. aus. So lässt sich mit EX Analytics eine Wirkungskette von der personalisierten Employee Experience über die Produktivität bis hin zum Unternehmenserfolg betrachten.
Workforce Analytics - Wir analysieren das Humankapital!
Ein weniger häufig verwendeter Begriff ist Workforce Analytics. Die Analyse bezieht sich hier auf das vorhandene Personal in seiner Gesamtheit, dessen allgemeine Strukturen und Dynamik im Zeitverlauf. Das Ziel ist eine bestmögliche Entscheidungsgrundlage bezüglich des verfügbaren und vor allem zukünftig benötigten Humankapitals im Unternehmen.
Inhaltlich steht Workforce Analytics daher oft Methoden der strategischen Personalplanung, Humankapitelbewertung und Demographie- und Karriereverlaufsanalyse nahe.
Beispiele:
- Wie wirkt sich die demografische Entwicklung des Personals auf den Rekrutierungsbedarf einzelner Jobgruppen aus?
- Wie hoch ist die durchschnittliche Mobilitätswahrscheinlichkeit (Beförderung, Kündigung, lateraler Wechsel) in verschiedenen Job-, Diversitäts- oder Altersgruppen der Belegschaft?
- Sollte bei der Neubesetzung von Stellen auf externe Rekrutierung oder interne Entwicklung gesetzt werden?
- Welche HR Maßnahmen fördern die Diversität der Belegschaft kurz-, mittel-, und langfristig?
Talent Analytics – Wir analysieren das Talentprogramm!
Im Unterschied zu den vorherigen Begriffen geht es bei Talent Analytics um die Nutzung von HR Daten mit klarem Bezug zu den Mitgliedern des Talentprogramms. Das Ziel von Talent Analytics ist die Evaluation von spezifischen HR Maßnahmen innerhalb dieser Mitarbeitergruppe und das Verstehen zentraler Verhaltensweisen von Mitgliedern des Talentpools.
Es handelt sich also um eine Sonderform von HR- und People Analytics mit Fokus auf die Gruppe der „Talente“. Da es sich hier meistens um vordefinierte Karriereprogramme handelt, ist es beispielsweise wichtig zu analysieren, ob die erhofften Karriereentwicklungen auch tatsächlich eintreten. Häufig investieren Unternehmen eine Menge Geld in den Talentpool (z.B., erstklassige Weiterbildung, Job-Rotation und internationale Entsendungen). Diese Investitionen rechnen sich insbesondere, wenn die Talente dann auch eine erhöhte Bindung aufweisen und nicht zwischenzeitlich zur Konkurrenz wechseln. Ob diese Entwicklungen auch tatsächlich eintreten, kann mittels Talent Analytics überprüft werden, um ggfs. schnell Anpassungen vorzunehmen.
HR Controlling / HR Reporting - Wir beschreiben den Verlauf von HR Kennzahlen!
Der Begriff des HR Controlling oder HR Accounting (international) bezeichnet einen Teilbereich des Unternehmenscontrollings, der sich der Erstellung, dem Berichten und Dokumentieren wichtiger HR Kennzahlen widmet. In anderen Worten, es liegt ein klarer Fokus auf dem HR Reporting. Aus dieser Tradition heraus beinhaltet HR Controlling auch häufig eine elaborierte Personalkostenrechnung und das so genannte Dashboarding. Das HR Reporting profitiert besonders von der digitalen Transformation, da mit HR Reporting Software die vielen Excel Tabellen und der damit verbundene manuelle Aufwand zur Berichterstattung reduziert werden können. Denn mit Hilfe der Software werden die im HR Reporting zusammengeführten Daten automatisch integriert und in Echtzeit in Dashboards aufbereitet präsentiert.
Stärker als die anderen Begriffe bezeichnet HR Controlling eine eigene Unternehmensfunktion und kann inhaltlich sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. HR Controlling folgt stärker einer Investmentlogik und gibt Auskunft darüber, an welcher Stelle ein in das Personal investierter Euro die größtmögliche Rendite erwirtschaftet. Das HR Reporting erfasst in einem für das Unternehmen passenden HR Kennzahlensystem die Personalkennzahlen (HR KPIs) über alle HR Bereiche hinweg, d.h. es handelt sich um eine ganzheitliche Betrachtung der personalwirtschaftlichen Prozesse und Maßnahmen im Unternehmen. Der Fokus liegt dabei besonders auf der nachträglichen Kontrolle von strategischen und operativen HR-Zielen, welcher sich in der Entwicklung der HR Kennzahlen widerspiegelt, sowie deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.
Im Vergleich zu anderen HR Bereichen ist das HR Controlling bzw. HR Reporting besonders zahlengetrieben und nimmt deshalb einen besonderen Stellenwert am „Tisch der Entscheider“ ein, da dadurch der Wertbeitrag des Personalmanagements für das Unternehmen nachvollziehbar belegt werden kann.
Hat dieser Beitrag das Begriffschaos für Sie entzerrt?
Fakt ist,
– das datengestützte Personalmanagement wird weltweit mit einer Vielzahl von verschiedenen Begriffen bezeichnet.
– es gibt eine Vielzahl von Anwendungsfällen für die konsequente Nutzung von Daten und Datenanalysen zur Entscheidungsfindung im Personalmanagement.
– erst wenn ein gemeinsames Verständnis der Begriffe etabliert ist, kann die Verwirrung unter den Praktikern mit einer gemeinsamen Sprache beseitigt werden.
– bei einem wachsenden Angebot von Softwareanbietern für das datengestützte Personalmanagement ist es zwingend notwendig, sich im Vorhinein über die Zielsetzung der geplanten Analysen im Klaren zu sein.
Unerlässlich: Die strategische Verknüpfung mit dem Business
Auch wenn verschiedene Begrifflichkeiten bestehen, eines darf niemals vergessen werden:
Unabhängig davon, in welchem Teilbereich HR Daten und HR Analysen genutzt werden sollen, handelt es sich in jedem Fall um ein Mittel zum Zweck der strategischen Unternehmenssteuerung.
Es ist also immens wichtig, dass die durchgeführten Analysen zur Lösung von relevanten Businessproblemen beitragen!
People Analytics ist kein Selbstzweck, sondern ein leistungsstarkes Instrument, um fundierte und strategische Entscheidungen zu treffen. Im Umgang mit den gesammelten Daten (vor allem den personenbezogenen Daten) müssen außerdem eine Reihe von Datenschutzauflagen erfüllt werden, welche die Möglichkeiten der Analysen bestimmen.
Dabei sind mehrere Nutzergruppen involviert, von der Vorstands- oder mittleren Führungsebene bis hin zu jedem einzelnen Personaler (Rekrutierer, Transformationsverantwortliche, Personal- und Organisationsentwickler, …).
Eine Fluktuationsanalyse wird bei den verschiedenen Stakeholdern aus dem Unternehmen nur dann auf Interesse stoßen, wenn das Unternehmenswachstum durch freiwillige Kündigungen, eine hohe Fluktuationsrate und die damit verbundenen Nachbesetzungskosten deutlich gehemmt wird.
Eine Mitarbeiterbefragung und Analyse der Befragungsdaten zum Mitarbeiter Engagement wird nur dann Sinn ergeben, wenn die Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter durch die Identifikation von Problembereichen und Engagement-Treibern mit gezielten Handlungsmaßnahmen verbessert wird.
Und so weiter…
In anderen Worten: Die systematische Nutzung und Analyse der HR Daten und HR Analyse muss zu einer aktiven Berücksichtigung der daraus gewonnen Fakten und Erkenntnisse für einen strategischen und unternehmensspezifischen Nutzen führen. Nur so lässt sich erfolgreiches und personalisiertes Personalmanagement gestalten.
Entdecken Sie, wie Sie mit People Analytics Entscheidungen und Prozesse in der Personalarbeit unterstützen können.