Die Zukunft im Recruiting – Wie sieht sie aus?
Mit dieser Frage beschäftigen sich Recruiter:innen und HR-Experten. Schlagworte wie data-driven Recruiting, kandidatenzentriertes Recruiting oder Recruiting Analytics stehen im Mittelpunkt der Überlegungen. Nicht umsonst wird das Recruiting gerne als erster Use Case für die Einführung von neuen Tools, Datenanalysen und Kennzahlen oder die Verbesserung der Employee Experience (Fokus: Candidate Experience) empfohlen.
Recruiting KPIs und Softwarelösungen - Experten klären auf!
Wir sind der Meinung, dass Buzzwords wie Recruiting Analytics oder Candidate Experience am besten im Austausch mit anderen Experten mit Leben gefüllt werden können. Beispielsweise sind wir beim Event FUTURE:HR – Data-Driven Recruiting Basics tiefer in die Diskussion eingestiegen. Bei der zusammen mit OMR veranstalteten, dreitägigen Veranstaltung mit 100 Recruiter:innen und HR-Interessierten stand der Austausch mit unseren Kollegen von SIXT, Ottobock, Valeo, Finanzcheck.de, Roche, Nestlé und Klüber Lubrication über ihre Erfahrungen und Vorgehen beim datengestützten Recruiting im Fokus.
Konkret ging es um Kennzahlen, KPIs, datengestützte Talent Acquisition und Personalentwicklung sowie kandidatenzentriertes Recruiting. Theorie ist die eine Sache. Spannend wird vor allem der Blick in die Praxis. Deshalb geben wir in diesem Beitrag einen Einblick, welche Kennzahlen und KPIs unsere Experten messen und worauf es bei einer Softwarelösung für datengestützte Rekrutierungsstrategien ankommt.
Wir beantworten folgende Fragen:
- Was sind Kennzahlen und KPIs im Recruiting?
- Wie werden die richtigen KPIs für den Recruiting-Prozess gewählt, erstellt und berechnet?
- Was ist Recruiting Analytics/data-driven Recruiting?
- Was macht eine Recruiting Analytics Software aus?
Kennzahlen und KPIs im Recruiting
HR hat in der Vergangenheit ein gutes Bauchgefühl bewiesen. Auch in der Personalauswahl. Datenanalysen im Big Data Zeitalter hingegen stehen viele HR-Abteilungen noch zögerlich gegenüber. Wo liegt nun der Schlüssel zu besserem Recruiting: Im Bauchgefühl oder in den Daten? Es ist keine entweder-oder Frage. Es geht darum, das Fingerspitzengefühl um objektive Datenanalysen zu ergänzen. So können Sie datengestützte Entscheidungen treffen, den Recruiting-Prozess stetig weiterentwickeln und die Erfahrungen der Bewerber:innen verbessern. Kennzahlen stehen Ihnen dabei als Indikatoren zur Verfügung und weisen auf die Schwachstellen im Bewerbungsprozess hin.
Begeben wir uns auf einen kurzen Abstecher in die Welt von Key Performance Indicators (KPIs) und Kennzahlen im Recruiting.
Nicht alle Kennzahlen sind KPIs!
Wichtig in Erinnerung zu behalten ist: Nicht jede Kennzahl ist ein KPI! Lediglich Kennzahlen, die erfolgskritisch für den jeweils betrachteten Prozess sind, stellen auch KPIs dar. KPIs haben also einen strategischen Zweck und bewerten die Veränderung und Entwicklung von Maßnahmen. Die Auswahl von passenden KPIs muss jedes Unternehmen für sich treffen. Schließlich geht es darum, einen Blick nach innen zu bekommen, und gezielt mit Blick auf die Bedürfnisse und den Kontext Ihres Unternehmens zu steuern.
4 Recruiting KPIs
1. Cost-of-Vacancy (COV)
Diese Kennzahl beschreibt die Kosten, die während der Nichtbesetzung einer offenen Stelle anfallen. Hohe COVs implizieren, dass Sie möglichst schnell versuchen sollten die ausgeschriebenen Stellen mit passenden Kandidat:innen zu besetzen.
Bei genauer Betrachtung der Formel fällt auf, dass die COV mit zunehmendem Jahresgehalt steigt. Während die durchschnittlichen Arbeitstage eine fixe Größe ist, beschreibt der gelb hinterlegte Faktor die Wichtigkeit der zu besetzenden Stelle. Diese Variable kann, je nach Einschätzung, Werte von 1-3 annehmen. Gerade Jobs aus geschäftskritischen Funktionen und Führungspositionen werden mit einem tendenziell höheren Faktor bewertet. Die durchschnittliche Time-to-Hire integriert eine klassische und weit verbreitete Kennzahl, welche die im Mittel benötigte Zeit bis zur Besetzung einer Vakanz angibt. Aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht ist es im Interesse des Unternehmens die COV zu minimieren. Hierbei können Recruiter:innen die Time-to-Hire als Hebel benutzen. Recruiting Analytics Tools helfen Ihnen dabei zu erkennen, welche Rekrutierungskanäle eine besonders niedrige Time-to-Hire aufweisen. Durch die datengestützte Wahl zielgruppenspezifischer Recruiting Channels kann die COV insgesamt minimiert werden.
2. Net Promoter Score (NPS)
Der NPS gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass die Bewerber:innen das Unternehmen im Bekanntenkreis empfehlen würden. Damit gibt diese Kennzahl Aufschluss über die Candidate Experience des Bewerbungsprozesses und die Außenwirkung der Arbeitgebermarke. Ist der NPS gering, sollten Reibungspunkte im Bewerbungsprozess mit Befragungen von Bewerber:innen zu ihrer Candidate Experience im Anschluss an die Bewerbung erhoben und Prozesse anschließend angepasst werden. Das kann zu einer Erhöhung der Anzahl der Bewerbungen beitragen.
Der NPS basiert im Wesentlichen auf der Frage „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen einem Freund weiterempfehlen werden?“. Diese Frage beantworten Kandidat:innen auf einer Skala von 0 (sehr unwahrscheinlich) bis 10 (sehr wahrscheinlich). Bewerber:innen, die mit 9 oder 10 antworten, werden als Promotoren bezeichnet. Diejenigen, die mit 0 bis 6 antworten stellen Kritiker dar. Kandidat:innen, welche mit 7 oder 8 antworten gelten als indifferent und fließen nicht in die Berechnung ein. Der NPS ergibt sich dann aus der Differenz der Anzahl der Promotoren und Kritiker in Verhältnis zu allen Bewerber:innen.
Insight – Definition Candidate Experience
Die Candidate Experience beschreibt die Erfahrungen, die Bewerber:innen über den gesamten Bewerbungsprozess hinweg mit dem Unternehmen machen. Sie ergibt sich aus allen Kontaktpunkten (sog. Touchpoints), die in diesem Prozess anfallen – von der Karriereseite und dem Bewerbertool, über die Kommunikation mit den Recruiter:innen und Fachbereichen bis hin zum Jobangebot oder der Absage. Umso positiver die Candidate Experience ist, umso besser sind die Auswirkungen auf die Jobannahmequote und die Arbeitsattraktivität des Unternehmens. Die Befragung der Bewerber:innen zu den einzelnen Touchpoints spielt eine wichtige Rolle darin, die Candidate Experience zu messen und zu gestalten.
3. Recruitment Effectiveness Funnel
Um ein holistisches Bild von der Effektivität eines Recruiting-Prozesses zu erhalten, kann der Recruitment Effectiveness Funnel verwendet werden. Ausgehend von der Gesamtanzahl an Bewerbungen werden entlang des Recruiting-Prozesses Drop-Out-Rates durch das Verhältnis der vorhergehenden und nachfolgenden Rekrutierungsphase gebildet. Durch eine Verringerung der Drop-Out-Rates entlang des gesamten Prozesses können Recruiter:innen Zeit sparen und sich auf den Austausch mit den vielversprechendsten Kandidat:innen konzentrieren.
Eine hohe Drop-Out-Rate z.B. im ersten Schritt von den initialen Bewerbungen zur Shortlist kann ein Indiz für eine zu wage Stellenbeschreibung sein. Entsprechend sollte eine Eingrenzung des Anforderungsprofils in Betracht gezogen werden. Eine genaue Identifikation von Ansatzpunkten für eine Effizienzerhöhung der Recruitingphasen kann mithilfe von Recruiting Analytics Tools und Candidate Experience Befragungen angegangen werden. Der Einsatz von Recruiting Analytics ermöglicht Recruiter:innen auf einen Blick die Drop-Out-Rates jeder Recruitingphase zu erkennen. Mithilfe von Candidate Experience Befragungen können im Anschluss Gründe für diese Entwicklung erkannt und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden.
4. Offer Acceptance Rate / Jobannahmequote
Die Offer Acceptance Rate gibt den Anteil der Jobangebote an, die von Bewerber:innen letztendlich angenommen werden. Angestrebt werden sollte ein Wert von 100%. Bewerber:innen, die alle Bewerbungsstufen durchlaufen haben, dem Anforderungsprofil entsprechen und ein Angebot erhalten haben, sollten möglichst zu Mitarbeiter:innen werden. Gelingt es nicht, Kandidat:innen in diesem finalen Schritt zu überzeugen und einzustellen, besteht Optimierungsbedarf. Mit Befragungen zur Candidate Experience sollte herausgefunden werden, welche Treiber hinter dieser Entwicklung stecken und wie dem entgegengewirkt werden kann.
Erstaunlicherweise wird die Offer Acceptance Rate in der Praxis tatsächlich selten gemessen. Der Fokus liegt vielmehr auf der Time-to-Hire oder COV. Doch eine niedrige Offer Acceptance Rate ist die Definition von verschwendeten Ressourcen und schlichtweg ärgerlich.
Nun haben wir vermehrt über den Einsatz von Recruiting Analytics Tools und Candidate Experience Befragungen gesprochen. Doch was genau steckt eigentlich dahinter?
Was ist eine Recruiting Analytics Software?
Recruiting Analytics unterscheidet sich von einer klassischen Recruitment Software insofern, dass der Schwerpunkt auf der Analyse des Bewerbungprozesses liegt. Es handelt sich also nicht um ein Bewerbermanagement-System (auch: ATS (Applicant-Tracking-System)), über welches die Verwaltung der Bewerbungen und die Korrespondenz mit den Bewerber:innen gesteuert werden. Recruiting Analytics Software setzt im nächsten Schritt an und zielt darauf ab, Recruiting-Daten und den Recruiting-Prozess zu analysieren, Reports zu erstellen und Verbesserungsmöglichkeiten zu entdecken. Auch die Analyse von Berfragungsdaten, welche im Rahmen von Candidate Experience Befragungen erhoben wurden, werden integriert.
Mit minimalem Aufwand können Sie so Schwachstellen im Bewerbungsprozess identifizieren und optimieren. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse können Sie dann offene Stellen planbarer und kostengünstiger mit Talenten besetzen. So profitieren alle Beteiligten von einem effizienteren und effektiveren Recruiting-Prozess.
Recruiting Analytics - Die Basics
Das Fundament jeder Recruiting Analytics Software ist die automatisierte Berechnung und Darstellung von Kennzahlen und KPIs. So werden klassische Recruiting Kennzahlen gemessen und im Zeitverlauf abgebildet. Zunächst müssen Sie sich Gedanken machen, welche Kennzahlen Sie messen wollen und welche davon als KPIs definiert werden. Darunter fallen zum Beispiel Kennzahlen wie die Anzahl der Bewerbungen, Time-to-Hire, Offer Acceptance Rate (= Jobahnnahmequote), Cost per Application oder verschiedene Prozesszeiten entlang des Bewerbungsprozesses.
Durch eine ansprechende und farblich unterstützte Visualisierung ist im Dashboard der Software auf einen Blick erkennbar, wie sich die Kennzahlen entwickelt haben und wo Optimierungsbedarf besteht. Solche Recruiting KPI Dashboards werden schnell fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Die Ergebnisse können Sie darüber hinaus auch problemlos als Reports verwenden und in das HR Reporting integrieren.
Das Aufsetzen eines ordentlichen Kennzahlensystems für Ihr Recruiting mit einer Auswahl von für Sie strategisch wichtigen KPIs ist der erste Meilenstein für Recruiting Analytics. Wenn Sie sich das vornehmen und geschafft haben, sind Sie tatsächlich den meisten schon einige Schritte voraus.
Expertentipp
Wenn Sie sich für Recruiting Analytics entscheiden, müssen Sie sich überlegen, wie weit Sie mit den Analysen gehen möchten. Sie können die Kennzahlen messen und über die Zeit beobachten. Oder Sie steigen tiefer in die Welt der Datenanalysen ein und ergänzen Ihre Analyse um das Feedback der Bewerber:innen. Diese Art von Analysen können allerdings nicht alle Softwarelösungen am Markt abbilden. D.h. bei der Auswahl von Recruiting Analytics Software sollten Sie sich darüber im Klaren sein, welche Fragen Sie durch die Analysen beantworten wollen. Daraus ergeben sich dann die Anforderungen an die Software.
Recruiting Analytics – Das Potenzial von data-driven Recruiting
Die Berechnung der Kennzahlen ist eine rein deskriptive Betrachtung. Bei Fragen nach dem was und warum handelt es sich dagegen um diagnostische Analysen. Durch sogenannte Treiberanalysen können Sie die Wirkungsketten im Prozess untersuchen und erkennen welche Faktoren beispielsweise die Jobannahmequote beeinflussen. Hierbei erfolgt die Datenerhebung über Befragungen der Kandidat:innen im Anschluss an die verschiedenen Phasen des Bewerbungsprozesses. Das Feedback der Bewerber:innen über den ganzen Rekrutierungs-Prozess ist kritisch, um ein kandidatenzentriertes Recruiting mit einer maximalen Offer Acceptance Rate der identifizierten Talente zu betreiben. Anders gesagt: das Feedback der Bewerber:innen verleiht Ihnen Einblicke in die Candidate Experience und wie Sie den Bewerbungsprozess verbessern könnt. Umso besser die Candidate Experience, umso besser die Jobannahmequote.
Die Recruiting Analytics Softwarelösung sollte für derartige Vorhaben eine integrierte Befragungsplattform zur Verfügung stellen. So können die Daten der Bewerberbefragungen unproblematisch in die Analysen einfließen. Durch automatisierte und KI-gestützte Analysen dieser Befragungsdaten werden Treiber von wichtigen KPIs identifiziert. Die Auswertung wird Ihnen unter anderem in Impact Grids zur Verfügung gestellt. So können Sie sich im Detail den Effekt der Karriereseite, der Recruiter:innen, oder des Fachbereichs anschauen. Darüber hinaus werden Ihnen automatisch generierte Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben.
In einem für die Hiring Manager personalisierten Dashboard können sogar Deep Dives auf die jeweiligen Bewerbungsprozesse ermöglicht werden. Somit können Sie gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Candidate Experience entwickeln, um die Wahrscheinlichkeit einer Jobannahme ausgewählter Kandidat:innen zu maximieren. In anderen Worten: Sie erhalten datengestützte Entscheidungsgrundlagen, um Ihren Recruiting-Prozess auf die Bedürfnisse der Bewerber:innen anzupassen.
Fazit
Unsere Experten sind sich einig. Mit Recruiting Kennzahlen und deren Interpretation sowie der richtigen Ableitung von Maßnahmen ergeben sich neue Hebel für Recruiter:innen, um den eigenen Prozess zu verbessern. Und obwohl es erstmal abschreckend klingen mag, ist es gar nicht so kompliziert oder schwierig. Die passenden Softwarelösungen nehmen Ihnen die Arbeit ab und spucken die relevanten Erkenntnisse quasi von alleine aus.
Je nach Zielsetzung lassen sich mit Recruiting Ananalytics Software nicht nur Kennzahlen messen. Sie können auch erfolgskritische Veränderungsprozesse durch den Einsatz von Daten effektiver gestalten. Dabei werden Befragungen auch im Recruiting immer mehr Gebrauch finden. So werden Kennzahlen nicht nur gemessen, sondern erfolgsbringend beeinflusst.