Von Mittelwerten zu Künstlicher Intelligenz – Reifegrade von People Analytics
„KI oder nichts.“
Wir beobachten auch in der Personalarbeit einen Trend hin zur Implementierung von KI-gestützten Tools. Doch KI ist nicht die Antwort auf alle Fragen. Insbesondere der Glaube, dass People Analytics mit KI gleichzusetzen ist, weist auf fehlendes Verständnis hin. Umso wichtiger erscheint es, auf den Einsatz von KI in der Personalarbeit sowie die Reifegrade von People Analytics nochmals genau einzugehen.
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Inhalt
Stunde der Wahrheit: Digitale Transformation in Personalabteilungen ist stark ausbaufähig
Das Bewusstsein für die strategische Bedeutung der digitalen Transformation für das Personalmanagement steigt. Immer mehr Unternehmen bezeichnen diesen digitalen Wandel als einen kritischen Bestandteil der zukünftigen Personalarbeit (Leonardi & Contractor, 2018). Doch trotz der wichtigen Schnittstellenfunktion wurde der HR-Bereich auf der Digitalagenda zu lange vernachlässigt (CIPD, 2018). Darum steht HR oft noch am Anfang der digitalen Transformation und schärft erst jetzt das Verständnis für die Notwendigkeit der Digitalisierung von Prozessen und der besseren Verwendung von Daten.
Die Möglichkeiten von People Analytics reichen hierbei von deskriptiven Kennzahlenberechnungen aus dem HR Reporting bis hin zu prädiktiven Datenanalysen (auch „predictive analytics“) mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI), mit denen zukünftige Entwicklungen personalbezogener Key Performance Indicators (KPIs) vorhergesehen werden können. Doch auch hier stehen viele HR-Abteilungen noch ganz am Anfang.
KI in der Personalarbeit – zwischen Euphorie und Skepsis
Branchenübergreifend ist KI eines der Buzzwords der digitalen Transformation. Auch wenn der digitale Wandel im HR noch in den Kinderschuhen steckt, ist eine „wir brauchen KI!“ Mentalität in Ansätzen schon vorhanden.
Doch so groß der Trend um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch sein mag – nicht für jedes Business Problem ist diese Technologie nötig und sinnvoll. Auch im Kontext der HR-Datenanalyse gibt es verschiedene Methoden und Stufen des technologischen und methodischen Fortschritts. Der Reifegrad der eingesetzten People Analytics Software und somit die Frage, welche Verfahren zur Datenanalyse herangezogen werden, ist abhängig vom damit verfolgten Ziel.
Bevor also entschieden wird, ob KI in der Analyse der HR-Daten eingesetzt wird, sollte zuerst eine zu lösende Fragestellung identifiziert und anschließend die dafür geeignete Technologie ausgewählt werden. Auf diese Weise stellen Sie sicher, dass die Datenanalyse Ihnen die nötigen Einblicke in Ihre Geschäftsprozesse liefert, um konkrete Business Probleme zu lösen.
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Was können KI-gestützte Analysen?
Laut einer Studie der International Data Group (2020) befassen sich zwei Drittel der deutschen Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen (ML).
Auf vielen Produkten steht zwar Künstliche Intelligenz, doch was steckt konkret dahinter?
Analyseverfahren des maschinellen Lernens sind technologisch dem Bereich der Künstlichen Intelligenz zugeordnet. Diese lassen sich neben quantitativen Daten auch auf Textdaten anwenden (Natural Language Processing), um Texte systematisch zu verdichten, zu strukturieren und einer analytisch-quantitativen Auswertung zugänglich zu machen. Außerdem lassen sich Verfahren des maschinellen Lernens gut einsetzen, um Personas oder typische Gruppen von Mitarbeitern aus vorliegenden Daten zu identifizieren, auf die das Employee Experience-Management ausgerichtet werden kann.
People Analytics Reifegrade
Was kann also das Personalmanagement mit KI anfangen und welche Fragestellungen lassen sich auch ohne KI lösen?
Diese Frage lässt sich mit Blick auf die methodischen Entwicklungsstufen von People Analytics beantworten. Diese Stufen werden anhand der maßgeblich verwendeten Analyseformen unterschieden. In der Praxis werden basierend auf der konkreten HR-Fragestellung die zielgerichteten Analyseverfahren ausgewählt. Leichter verständlich ist die Betrachtung anhand von beispielhaften Use Cases.
Reifegrad | Deskriptives | Diagnostisches | Prädiktives |
Frage | Was ist passiert? | Wie und warum? | Was wird passieren? |
Verfahren | Einfache Statistik (z.B. Mittelwerte) | Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (z.B. Multiple Regressionsanalyse, | Projektion kausaler (z.B. Szenarioanalysen) |
Vorteile | Effizienz HR Reporting KPI Berechnungen | Treiberanalysen Persona-Analysen | Prognose von KPIs Einfluss |
Beispielhafte | Unterschiede in der | Wie wirkt sich das | Prognose des Fluktuationsrisikos |
Tabelle 1: Vergleich der drei People Analytics Reifegrade
Key Learning
Die Zielsetzung bestimmt die Art des Analyseverfahrens und dementsprechend den angewandten technologischen Reifegrad von People Analytics.
Use Case #1: Deskriptives People Analytics
Hierbei handelt es sich um einfaches People Analytics, welches hauptsächlich der Beschreibung eines Analyseobjekts dient. Deskriptive Analysen, d.h. einfache statistische Verfahren, werden vorwiegend im HR-Controlling oder HR-Reporting eingesetzt. Ziel ist ein Überblick über verschiedene personalbezogene Kennzahlen und deren Entwicklung zu gewinnen. Für diese Auswertungen reichen absolute und relative Häufigkeiten, Mittelwerte sowie deren Segmentierung nach verschiedenen Gruppen aus. Diese Daten bilden dann die Grundlage für fortgeschrittene Analysen in den nächsten Reifegrad-Stufen.
Beispiel: Employee KPIs
In unserem HR Keyboard sehen Sie auf einen Blick verschiedene KPIs mit denen Sie das Engagement, die Arbeitszufriedenheit und Motivation, die Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit und weitere Kennzahlen Ihrer Mitarbeiter:innen messen können (vgl. Abb.1). Eine Betrachtung dieser Kennzahlen im Zeitverlauf ermöglicht einen Blick auf die Effizienz und Effektivität der HR-Prozesse und Maßnahmen im Personalmanagement. Besonders vorteilhaft ist, dass die HR-Reporting Software diese Analyse komplett automatisiert und in Echtzeit ermöglicht. Somit wird der administrative Aufwand extrem reduziert und ein maßgeschneidertes HR-Kennzahlensystem aufgesetzt.
Use Case #2: Diagnostisches People Analytics
Sollten sich HR-KPIs im Laufe der Zeit verschlechtern, stellt sich die Frage: Woran liegt das? Und was kann ich dagegen tun? Mithilfe fortgeschrittener statistischer Verfahren (z.B. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge), ermöglicht People Analytics Software die Identifikation der Treiber hinter den Entwicklungen der KPIs. Mit nur einem Klick erhalten Sie im HR Keyboard die Schlüssel zu engagierten Mitarbeiter:innen. Wenn die KPI-Übersicht beispielsweise eine Verschlechterung in der Bleibeintention zeigt, kann dieser Entwicklung in weiterführenden Analysen auf den Grund gegangen werden.
Beispiel: Treiberanalyse der Bleibeintention
Abbildung 2 zeigt die Visualisierung der Treiberanalyse für die Bleibeintention im interaktiven Dashboard. Die Länge der Balken gibt den berechneten Einfluss von HR-Maßnahmen und von Faktoren im Arbeitsumfeld auf die Bleibeintention der Mitarbeiter:innen (Retention Intention) an – je länger der Balken desto wichtiger ist dieser Treiber für die Bleibeintention. Daran anschließend erhalten Sie in der rechten Kachel Handlungsempfehlungen, wie Sie die Treiber, z.B. gute Führung, umsetzen können und den zu erwartenden Effekt der HR-Maßnahmen auf die Bleibeintention. So können Sie mühelos evaluieren, welche Ihrer HR-Strategien am effektivsten die Mitarbeiterbindung steigert und zielsicher an den richtigen Stellschrauben ansetzen.
Use Case #3: Prädiktives People Analytics
Um nach der vergangenheits- und gegenwartsbezogenen Betrachtung einen Blick in die Entwicklung zukünftiger HR-Kennzahlen zu erhalten, kommt prädiktives People Analytics ins Spiel. Die Ergebnisse aus vergangenheitsbezogenen Analysen werden dabei für die Einschätzung zukünftiger Szenarien angewandt.
Beispiel: Erwartete Abwanderungsrate (Churn Rate)
Das HR Keyboard berechnet beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung in verschiedenen Abteilungen, Jobgruppen (vgl. Abb. 3) oder auch auf der Individualebene. Es errechnet also eine Prognose für die in der Zukunft zu erwartenden, mitarbeiterseitigen Kündigungen und die damit verbundenen Kosten. Die Visualisierung im Dashboard ermöglicht Ihnen, Mitarbeiter:innen oder Zielgruppen mit hohem Abwanderungsrisiko zu identifizieren, gezielt anzusprechen und mit entsprechenden HR-Maßnahmen der Kündigung noch rechtzeitig entgegenzuwirken. Auf diesem Weg können Sie die Arbeitserfahrung verbessern, Ihre Mitarbeiter:innen besser an das Unternehmen binden und so die Fluktuationskosten sowie den Austritt von Leistungs- und Wissensträgern verhindern.
Also „KI oder nichts“?
Grundsätzlich generieren alle drei Reifegrade einen Mehrwert für das Personalmanagement, indem datengestützte Entscheidungshilfen zur Verfügung gestellt werden. Deshalb wäre die Aussage: „KI oder nichts“ leichtfertig. Sie hat jedoch insofern ihre Berechtigung, als dass die Aussagekraft und damit der Nutzen der Erkenntnisse vor allem ab dem zweiten Reifegrad stark ansteigt. Von Interesse im Kontext von People Analytics sind dabei vor allem diagnostische und prädiktive Verfahren, um Ursachen der Entwicklung mitarbeiterbezogener Kennzahlen zu identifizieren, vorherzusagen und entsprechende HR-Maßnahmen ableiten zu können.
Ein zunehmender Reifegrad trägt dazu bei, dass die HR-Abteilung ein wesentlicher Treiber der digitalen Transformation im Unternehmen wird und sorgt so für den Wandel von HR von einer verwaltenden Rolle hin zu einem strategischen Partner (Ulrich, 1997).
Ja zum technologischen Fortschritt und KI. Aber bitte mit kritischer Betrachtung!
Im dynamischen technischen Wandel des Big Data Zeitalters sollte nicht vergessen werden, die Datenanalysen und Verfahren zu hinterfragen und zu verstehen. So kann deren Funktionsweise effektiv für Business Probleme angewandt werden.
Welcher technologische Reifegrad im konkreten Fall Ihres Unternehmens den größten Nutzen stiftet und damit die Frage, ob KI benutzt wird, ist abhängig von der zu lösenden Fragestellung. Wenig Nutzen hingegen bringt der Einsatz Künstlicher Intelligenz zum Selbstzweck.
CIPD (2018a) People analytics: driving business performance with people data.
Huff, J., Sturm, A. & Süß, J. (2020) Datengestütztes Employee Experience Management mit People Analytics In: Laske, S., Orthey, A. & Schmid, M.J. (2020) Personal Entwickeln. Hürth, Wolters Kluwer.
IDG (2020) Studie Machine Learning 2020.
Leonardi, P. & Contractor, N. (2018) Better People Analytics. Harvard Business Review.
Ulrich, D. (1997) Human Resource Champions: The Agenda for Adding Value and Delivering Results. Boston, MA: Harvard Business
School Press.
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