Das kostet (bringt) eine schlecht (gut) ausgewertete Mitarbeiterbefragung tatsächlich

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Beitragsbild Blog28 auswertung mitarbeiterbefragung

Erfreulicherweise erkennen immer mehr Unternehmen, dass es sich lohnt die Perspektive der Mitarbeiter:innen einzubeziehen. Ob jährliche Mitarbeiterbefragungen, Pulse Surveys oder Continous Listening: Die Meinung der Mitarbeiter:innen einzuholen liegt im Trend.

Diese erfreuliche Entwicklung wird jedoch leider durch eine wesentliche Einschränkung geschmälert: Die große Mehrheit der Befragungen wird nur einfach und unzureichend ausgewertet und so viel Potential vergeudet.

Man kann dabei leicht dem Gedanken verfallen: Selbst wenn wir unsere Befragung vielleicht nur suboptimal auswerten, können wir doch viel erreichen und einen großen Fortschritt für unsere Mitarbeiter:innen und das Unternehmen erzielen. Die Realität ist jedoch: Häufig ist es besser, gar keine Befragung als eine schlecht ausgewertete Befragung durchzuführen. Oder positiver formuliert: Der Nutzen, den eine sinnvolle Auswertung der Mitarbeiterbefragung bei überschaubarem Aufwand liefert, ist enorm.

Aber was ist denn jetzt eigentlich so problematisch an den meisten Auswertungen? Und wie könnte es besser funktionieren?

Das Problem mit klassischen Auswertungen

Viele Befragungen laufen nach folgendem Muster ab: Es wird eine mehr oder weniger große Menge an Fragen an die Mitarbeiter:innen gestellt. Anschließend wird über die Antworten der Mittelwert gebildet. Wird eine Kategorie besonders schlecht bewertet, wird dieser Bereich als Handlungsbedarf identifiziert. Um eine Verbesserung zu erreichen, werden dann häufig verschiedene Workshops durchgeführt und umfangreiche Maßnahmen abgeleitet. Das kann eine neue Arbeitsplatzgestaltung umfassen, z.B. eine neue IT-Ausstattung oder ergonomische Büromöbel. Oder die Einführung einer Intranet- bzw. Collaborations-App, so dass sich die interne Kommunikation verbessert. Oder es werden Führungskräfte-Coachings durchgeführt, damit die Führungskräfte ihre schlecht beurteilten Verhaltensweisen ändern. Oder das Benefits-Package wird angepasst, um besser den Wünschen der Mitarbeiter:innen zu entsprechen. Je nach Unternehmensgröße und Umfang der Maßnahmen können die Kosten dafür leicht in den 6- oder 7-stelligen Bereich gehen.

Die Frage, die sich dabei aber kaum jemand stellt: Werden dadurch wirklich die Arbeitszufriedenheit, Motivation und Bindung der Mitarbeiter:innen erhöht? Oder werden diese Dinge von den Mitarbeiter:innen zwar schlecht bewertet, sind ihnen aber gar nicht so wichtig?

Beantworten Sie die richtigen Fragen?

Wer mit einer Mitarbeiterbefragung wirklich einen positiven Effekt erzielen möchte, muss daher gleich zwei Fragen beantworten:

  • Wo sehen die Mitarbeiter:innen Verbesserungspotential?

  • Wie wichtig ist es für die Mitarbeiter:innen tatsächlich, dass es in diesem Bereich eine Verbesserung gibt?

In der Praxis wird meistens nur die erste Frage gestellt. Die zweite Frage ist aber mindestens genauso wichtig und lässt sich mit State-of-the-Art-Analysen beantworten.

Mittelwerte oder State-of-the-Art Analysen?

Durch moderne statistische Algorithmen lässt sich bestimmen, wie wichtig z.B. bestimmte Verhaltensweisen der Führungskraft tatsächlich für die Arbeitszufriedenheit sind im Vergleich zu höherem Gehalt oder der Arbeitsplatzausstattung. Dafür wird (vereinfacht ausgedrückt) untersucht, ob Mitarbeiter:innen die das Führungsverhalten positiv bewertet haben auch zufriedener sind. In der Realität sind die Analysen natürlich deutlich komplexer und verschiedene Einflussfaktoren und konfundierende Faktoren müssen simultan berücksichtigt werden. Aber im Ergebnis können sich daraus ganz andere Implikationen ergeben, als wenn wir nur auf den Mittelwert schauen.

Was genau bedeutet das also für die Bewertung der Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung? Das folgende Fallbeispiel zeigt einen Vergleich der beiden Analyseverfahren und die Interpretationsfehler, die dabei passieren können.

Fallbeispiel Arbeitszufriedenheit – was bringt eine gute Auswertung der Mitarbeiterbefragung?

Die möglichen Effekte lassen sich an folgendem Beispiel zeigen:

Wir haben eine Mitarbeiterbefragung mit 10 Fragen auf einer Skala von 1 bis 7 plus der Frage nach der Arbeitszufriedenheit.

  • Bei einer klassischen Auswertung mit Mittelwerten kommen wir dabei zu folgendem Ergebnis:
Klassische Auswertung Mitarbeiterbefragung

Besonders schlecht bewertet sind die IT-Ausstattung, die Kommunikation durch die Unternehmensleitung und ob die Führungskraft den Mitarbeiter:innen große Autonomie gibt. Nach der klassischen Vorgehensweise müssten wir jetzt in diesen drei Bereichen tätig werden. Das heißt, wir würden vielleicht neue Laptops anschaffen, eine Intranet-App einführen die eine direktere Kommunikation mit den Mitarbeiter:innen ermöglicht und den Führungskräften in Coachings nahebringen, wie sie die Autonomie ihrer Mitarbeiter:innen stärken.

Wenn wir die Kosten für diese Maßnahmen zusammenzählen, kommen wir für ein Unternehmen mit 2.000 Mitarbeiter:innen leicht auf einen Wert im hohen 6-stelligen oder sogar 7-stelligen Bereich. Aber ist das Geld wirklich gut angelegt?

  • Sehen wir uns an, was passiert, wenn wir die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren mit einbeziehen:
State of the Art Auswertung Mitarbeiterbefragung
  • Auf der x-Achse sehen wir die klassische Analyse: Wie gut oder schlecht wird etwas bewertet?
  • Auf der y-Achse sehen wir aber die Einschätzung des Algorithmus: Wie wichtig ist etwas tatsächlich für die Arbeitszufriedenheit? Die Werte auf der y-Achse geben an: Um wie viele Punkte steigt die Arbeitszufriedenheit, wenn der Einflussfaktor um einen Punkt steigt. Hier steigt z.B. die Arbeitszufriedenheit um 0,29 Punkte, wenn die Work-Life Balance um einen Punkt steigt.

Das Bild, das sich zeigt, ist ein völlig anderes. Die IT-Ausstattung wird zwar kritisiert, aber einen nennenswerten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hat sie nicht. Auch die Kommunikation durch die Unternehmensleitung und eine durch die Führungskraft gewährte höhere Autonomie haben höchstens einen mittelgroßen Einfluss.

Auf der anderen Seite sind die Karriereentwicklungsmöglichkeiten an sich akzeptabel bewertet. Es zeigt sich jedoch, dass eine Steigerung hier dennoch sehr hohes Potential für eine Verbesserung der Arbeitszufriedenheit hätte. Auch eine durch die Führungskraft geförderte Kooperation im Team und eine gute Work-Life-Balance wären bei der klassischen Auswertung nicht als Handlungsfelder identifiziert worden, sollten aber unbedingt adressiert werden. Anstatt neue Laptops, Intranet-App und auf Autonomie fokussierte Führungskräfte-Coachings sollten wir also an Karriereentwicklungsplänen und Arbeitszeitmodellen arbeiten und das Führungskräftetraining auf die Förderung von Kooperation fokussieren.

  • Was hat solch ein geänderter Fokus nun für praktische Auswirkungen?

Nehmen wir an, dass wir durch unsere Maßnahmen den jeweiligen Einflussfaktor um jeweils einen Punkt steigern können. Dann kommen wir bei einem Vorgehen nach der klassischen Auswertung insgesamt auf eine um mickrige 0,2 Punkte gestiegene Arbeitszufriedenheit. Leiten wir unsere Maßnahmen dagegen anhand der State-of-the-Art Auswertung ab, ist der Effekt mehr als 4x so hoch und die Arbeitszufriedenheit steigt um 0,84 Punkte.

Effekt von Nachfolgemaßnahmen auf Arbeitszufriedenheit

Klassische Auswertung

Effekt

IT-Ausstattung

0.03

Kommunikation

0.07

Führungskraft fördert Autonomie

0.10

Summe

0.20

State-of-the-Art Auswertung

Effekt

Karriereentwicklung

0.35

Work-Life-Balance

0.29

Führungskraft fördert Kooperation

0.20

Summe

0.84

  • Was bedeutet das für das Unternehmen?

Hier kommt es natürlich auf gewisse Faktoren wie Branche und Art des Jobs aber auch die Verteilung der Arbeitszufriedenheit (Mittelwert und Varianz) in der Belegschaft an. Aber basierend auf Studien der University of Warwick, dass zufriedene Mitarbeiter:innen um 12% produktiver sind unter einigen vereinfachenden Annahmen lässt sich schätzen, dass für ein Unternehmen mit 2.000 Mitarbeiter:innen die Auswertung mit State-of-the-Art Methoden einen Vorteil von ca. 3.000.000 € gegenüber der klassischen Auswertung bietet! [1] Tatsächlich ist bei den auf der klassischen Auswertung basierenden Maßnahmen fraglich, ob ihr Nutzen überhaupt die Kosten übersteigt.

[1] Kontaktieren Sie uns, wenn Sie mehr über die genaue Berechnungsmethode erfahren möchten.

Das zeigt die Realität

Dieses Beispiel ist fiktiv und soll zeigen, wie leicht falsche Schlüsse und Interpretationsfehler aus Mitarbeiterbefragungen sehr teuer werden können. Aus unseren langjährigen Erfahrungen können wir sagen, dass solche Unterschiede eher die Regel als die Ausnahme sind. Um dem Thema genauer auf den Grund zu gehen, haben wir eine große Befragung unter Arbeitnehmern durchgeführt, die wir in den nächsten Wochen in einer Artikelreihe vorstellen werden. Und ohne schon zu viel vorweg nehmen zu wollen: Die hier gezeigten Abweichungen sind durchaus realistisch.

Viele leiden unter schlechter Auswertung

Klassisch ausgewertete Mitarbeiterbefragungen schaden aber nicht nur finanziell dem virtuellen Konstrukt „Unternehmen“. Ganz konkret leiden verschiedene Stakeholder:

  • Die Mitarbeiter:innen sind unzufrieden, weil sich ihre Employee Experience nicht an den für sie entscheidenden Punkten verbessert.

  • Das Geschäftsleitung hat das Problem, viel Geld für Maßnahmen auszugeben aber nicht von motivierten Mitarbeiter:innen zu profitieren.

  • HR wird kritisiert, weil sich trotz hohem Aufwand und vieler Maßnahmen keine Verbesserung zeigt.

Muss das wirklich sein mit dieser Statistik?

Jetzt ließe sich natürlich einwenden: Wozu die ganze Statistik? Können wir die Mitarbeiter:innen nicht einfach fragen was ihnen wichtig ist? Auch diese Frage werden wir in unserer Artikelreihe in den kommenden Wochen betrachten. Aber ohne auch hier schon zu viel vorweg nehmen zu wollen: Was Mitarbeiter:innen selbst sagen und glauben, dass ihnen wichtig ist und was für ihre Arbeitszufriedenheit tatsächlich wichtig ist, kann sich stark unterscheiden.

Wenn jetzt aber eine zeitgemäße Auswertung so wichtig ist, muss dann in Zukunft jede/r Personaler:in erst einmal ein Statistik-Studium absolvieren, bevor sie eine Mitarbeiterbefragung durchführt? Das sicher nicht. Denn glücklicherweise gibt es moderne Befragungssoftware die diese Aufgaben automatisch erledigt.

Dort können sogar für einzelne Bereiche oder Teams Handlungsempfehlungen angezeigt werden, die auf State-of-the-Art-Analysen basieren. Für Personaler:innen ist aber wichtig zu wissen was solche Analysen können und sie entsprechend einzusetzen. Denn was wäre schöner, als wenn eine Mitarbeiterbefragung tatsächlich zu zufriedeneren Mitarbeiter:innen führt?