Maßgeschneiderte Führungskräfteentwicklung mit Development Centern

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Beitragsbild Blog2 Development Center

Eine Umfrage zu Weiterbildungsmaßnahmen in deutschen Unternehmen im Jahr 2018 ergab, dass Fortbildungen, Feedbackgespräche und Coachings die drei meistgenutzten Angebote zur Entwicklung von Mitarbeitenden waren (Rudnicka, 2022). Diese Maßnahmen sind ohne Frage sehr wirkungsvoll. Sie sind allerdings zumeist nicht individuell auf eine/n Mitarbeiter:in zugeschnitten. Speziell bei der Entwicklung von Führungskräften kann es aber nötig sein, auf ein bestimmtes Kompetenzprofil zugeschnittene Entwicklungsmaßnahmen zu entwickeln. Die Möglichkeit dazu bieten so genannte Development Center. Sie erlauben es Unternehmen, Kompetenzprofile ihrer Führungskräfte genau abzustecken und gezielt zu verändern.

Was sind Development Center?

Development Center sind spezielle Assessment Center mit dem expliziten Schwerpunkt auf der individuellen Entwicklung der Teilnehmenden (Contarini & Vannotti, 2006). Sie werden auch als Entwicklungs- oder Potenzial-Assessment Center bezeichnet. Die persönliche und fachliche Förderung der Teilnehmenden, zumeist (angehende) Führungskräfte, kann also als alleiniger Zweck von Development Centern angesehen werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Assessment Centern ergeben sich dadurch Unterschiede im Zeithorizont, in den betrachteten Verhaltensdimensionen, in der Rolle der Beobachtenden, in der Art der Bewertung und im Gesprächsklima.

Die Entwicklung der Teilnehmenden ist das primäre Ziel von Development Centern. Ihr Ansatz besteht darin, Kompetenzen einzuschätzen und daraus Entwicklungsmaßnahmen abzuleiten. Zwar können die dabei erlangten Erkenntnisse durchaus auch für Besetzungs- oder Beförderungsentscheidungen mit herangezogen werden, sollten aber nicht alleiniges Kriterium dafür sein. Denn im Unterschied zu herkömmlichen Assessment Centern basieren Development Center nicht auf einem tätigkeitsbezogenen Anforderungsprofil, sondern sind zugeschnitten auf das Kompetenzprofil der Teilnehmenden.

Der Fokus liegt also nicht auf der Passung von Personenmerkmalen zu Tätigkeitsmerkmalen, sondern auf der Weiterentwicklung der Personenmerkmale (z. B. Wissen, Fähigkeiten, Potenziale, Motivation) selbst. Deshalb erhalten die Teilnehmenden schon während der verschiedenen Übungen kontinuierlich intensives Feedback, das sie noch im Development Center nutzen können. Speziell Peer-Feedback durch andere teilnehmende Kolleg:innen spielt hier eine Rolle, wodurch ein Klima der Zusammenarbeit entsteht. Auch nach Ende des Development Centers wird der Entwicklungsprozess der Teilnehmenden langfristig verfolgt und z. B. im Rahmen eines 360-Grad-Feedbacks kontrolliert.

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Wie unterscheiden sich Development Center von ähnlichen Formaten?

Development Center vs. Assessment Center

Wie oben beschrieben, sind Development Center eine Sonderform des Assessment Centers. Während Assessment Center Kompetenzen jedoch als Momentaufnahme vor einem klaren eignungsdiagnostischen Hintergrund erfassen, ist das Ziel von Development Centern die langfristige Prognose und Entwicklung von Kompetenzen. Sie fokussieren sich demnach vor allem auf Personenmerkmale, die durch entsprechende Maßnahmen auch tatsächlich veränderbar sind. Dazu zählen z. B. zwischenmenschliche oder planerische Fähigkeiten.

Development Center vs. Orientation Center

Eine weitere Unterart von Assessment Centern sind die sogenannten Orientation Center. Sie ähneln Development Centern in Bezug auf die langfristige Prognose von Kompetenzen. Sie leiten daraus aber keine Entwicklungsmaßnahmen ab, sondern dienen dem Abgleich der Personenmerkmale mit Anforderungsprofilen verschiedener Tätigkeiten und somit der zukünftigen Karriereausrichtung der Teilnehmenden. Alle drei Formate werden in der folgenden Tabelle gegenübergestellt:

Assessment Center Development Center Orientation Center
Ziel
Einschätzung von Kompetenzen
Entwicklung von Kompetenzen
Orientierung anhand von Kompetenzen
Zeitliche Betrachtung
Momentaufnahme
Langfristige Prognose
(Meist) langfristige Prognose
Messung von
möglichst zeitlich stabilen Verhaltensweisen
veränderbaren Verhaltensweisen
stabilen und veränderbaren Verhaltensweisen
Situative Gestaltung
Konkurrenzsituation
Lernumgebung
Lernumgebung
Beobachter:innen
als Bewertende
als Entwicklungshelfer
als Orientierungsgeber
Inhalte
Eignungsdiagnostik bzgl. jobbezogener Anforderungen, Abgleich individueller Kompetenzprofile mit spezifischem Anforderungsprofil, umfangreiches Feedbackgespräch
Empfehlung passender Förderungsmaßnahmen, Nachverfolgung der Umsetzung, Transferwege in den Arbeitsalltag, Planung individueller Maßnahmen in Entwicklungsgespräch
Abgleich Kompetenzprofile mit verschiedenen Anforderungsprofilen, Empfehlung zur weiteren Karriereausrichtung, Planung individueller Maßnahmen in Entwicklungsgespräch
Quelle
Kanning et al. (2007)
Contarini & Vannotti (2006)
Klug (2007)

Man könnte zusammengefasst sagen: Assessment Center gleichen das momentane Kompetenzprofil eine/r (angehenden) Mitarbeiter:in detailliert mit einem spezifischen Tätigkeitsprofil ab. Orientation Center gleichen das Potenzial eine/r Mitarbeiter:in oberflächlich mit vielen verschiedenen (zukünftigen) Tätigkeitsprofilen ab. Und Development Center leiten aus dem momentanen Kompetenzprofil eine/r Mitarbeiter:in individuelle Maßnahmen zu dessen Erweiterung ab. Sie eignen sich daher besonders gut zur Führungskräfteentwicklung.

Vor- und Nachteile

Potenzielle Nachteile von Development Centern

In einem Development Center werden Kompetenzen off-the-job, also abseits des eigentlichen Arbeitsplatzes, beurteilt und entwickelt. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit eine Führungskraft die erlernten Fähigkeiten auch tatsächlich in ihren Arbeitsalltag übertragen kann und wie langfristig dieser Transfer ist (Schmidt, 2007). Daher bedürfen Development Center eine recht langwierige Nachbereitung, z. B. durch Folgebefragungen oder tiefergehende Entwicklungsmaßnahmen, um die Wirksamkeit sicherzustellen.

Generell sind Development Center ein zeitlich und finanziell aufwändiges Instrument zur Führungskräfteentwicklung. So müssen alle Beteiligten nicht nur die Durchführung selbst (meist ein Tag), sondern auch Zeit zur Vor- und vor allem Nachbereitung einplanen. Aufgrund des Aufwands kann ein Unternehmen zumeist nur ausgewählten Mitarbeitenden (meist Führungskräften höherer Ebenen) die Möglichkeit eines Development Centers bieten. Es handelt sich demnach nicht um eine Maßnahme, die sich für Personalentwicklung in der Breite eignet. Stattdessen zielen Development Center auf solche Personen ab, deren individuelles Wirken die Leistung des Gesamtunternehmens besonders stark beeinflusst.

Vorteile von Development Centern

Hauptvorteil von Development Centern ist ihr individueller Zuschnitt sowohl auf das Profil einer bestimmten Führungskraft als auch auf die spezifischen Gegebenheiten im Unternehmen. Sie sind darauf ausgelegt, genau eine bestimmte Person bzw. eine sehr ähnliche Personengruppe in einer ganz bestimmten Position im Unternehmen zu entwickeln. Diese starke Individualisierung grenzt Development Center klar von den meisten anderen Entwicklungsmaßnahmen ab, die eher mit Blick auf ein vorgegebenes Tätigkeitsprofil entwickelt werden. Die bewusste Abkehr vom „Gießkannenprinzip“ erlaubt den Einsatz aller eingebrachten Ressourcen so effektiv wie nur irgend möglich. Development Center fördern zudem vor allem solche Personen, die zum Unternehmenserfolg in besonderem Ausmaß beitragen. Sie stehen so in direkter Verbindung mit den operativen und strategischen Zielen.

Weitere Vorteile bestehen in der Beurteilung und Entwicklung der Teilnehmenden durch Expert:innen. Diese kennen die Führungskräfte vorher oft nicht oder nur flüchtig und können daher besonders objektiv urteilen. Development Center sind zudem sehr gut akzeptiert. Denn allein der Fakt, dass ein Unternehmen sich den ganzen Aufwand allein für eine oder einige wenige Führungskräfte macht, erzeugt ein starkes Gefühl der Wertschätzung. Ermöglicht wird auch ein Wissens- und Erfahrungsaustausch verschiedener Stakeholder innerhalb des Unternehmens. Dieser ist besonders in den Zeiten demografischen Wandels und Fachkräftemangels entscheidend.

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Beispielhafte Bestandteile und Übungen

Um den Ablauf von Development Centern zur Führungskräfteentwicklung zu veranschaulichen, werden im Folgenden einige beispielhafte Bestandteile und Übungen beschrieben. Diese kommen besonders häufig zum Einsatz und unterscheiden sich in ihrer Art nicht grundsätzlich von den Bestandteilen herkömmlicher Assessment Center. Sie fokussieren allerdings gezielt auf Kompetenzentwicklung statt Eignungsdiagnostik und finden daher in einer „sicheren“ Lernumgebung anstelle einer Auswahlsituation statt:

  • Rollenspiele/ Gesprächssimulationen

    Rollenspiele bzw. Gesprächssimulationen mit Kund:innen, Mitarbeitenden und Kolleg:innen fördern vor allem zwischenmenschliche und Konfliktlösefähigkeiten der Führungskräfte.

  • Präsentationen

    Um Softskills sowie auch die Überzeugungsfähigkeit und das Selbstbewusstsein zu fördern, müssen die Führungskräfte Konzepte erarbeiten und präsentieren.

  • Case Studies

    Case Studies dienen vor allem der fachlichen Entwicklung der Führungskräfte und testen deren Problemlösefähigkeiten.

  • Postkorb-/ Projektplanungsaufgaben

    Postkorb- oder Projektplanungsaufgaben zielen auf den organisatorischen Part der Führungstätigkeit und vor allem das Zeitmanagement einer Führungskraft.

  • Teamarbeit

    Vor allem in Development Centern mit mehreren Teilnehmenden bieten sich Aufgaben an, die Teamarbeit erfordern und die Führungskräfte in direkter Interaktion mit anderen zeigen.

  • Datenanalysen

    Datenanalysen testen vor allem die Organisationsfähigkeit und Methodenkompetenz der Führungskräfte, so diese im Arbeitsalltag benötig wird.

  • Interviews

    Motivation und Einstellung einer Führungskraft bezüglich ihrer Arbeit lassen sich besonders gut im bilateralen Austausch in Interviews ermitteln.

  • Tests

    Kognitive und Kreativitätstests bilden die intellektuellen Fähigkeiten der Führungskräfte ab, die allerdings nur bedingt trainierbar sind.

  • Fragebögen

    Fragebögen zu jobrelevanten Persönlichkeitseigenschaften legen offen, wie sich eine Führungskraft in alltäglichen oder auch kritischen Arbeitssituationen typischerweise fühlt und verhält. Auch dieses Erleben lässt sich nur bedingt durch Entwicklungsmaßnahmen verändern, eher der Umgang damit kann trainiert werden.

Fazit

Development Center erlauben es Unternehmen, Kompetenzprofile ihrer Führungskräfte genau abzustecken und gezielt zu verändern. Sie sind spezielle Assessment Center, die explizit der Entwicklung der Teilnehmenden dienen. Ihre Umsetzung ist aufwändig, weswegen sie vor allem mit Führungskräften höherer Ebenen durchgeführt werden. Development Center sind im Vergleich zu anderen Führungsentwicklungsmaßnahmen besonders individualisiert und haben einen hohen Einfluss auf erfolgsrelevante Kennzahlen. Sie sind zudem besonders objektiv und bei allen Beteiligten sehr gut akzeptiert.

Contarini, C. & Vannotti, M. (2006). Das Development Center mit Peer-Feedback. Ein Praxisbeispiel. Wirtschaftspsychologie, 4, 11-19.

Kanning, U. P., Pöttker, J. & Gelleri, P. (2007). Assessment Center-Praxis in deutschen Großunternehmen – Ein Vergleich zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Realität. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 51(4), 155-167.

Klug, A. (2007). Orientierungscenter. Klug Paul + Partner. http://www.klug-md.de/Wissen/orientierungscenter.htm

Rudnicka, J. (2022). Umfrage zu den Weiterbildungsmaßnahmen in deutschen Unternehmen 2018. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/ 940715/umfrage/weiterbildungsmassnahmen-in-deutschen-unternehmen/

Schmidt, M. (2007). Die Wirkung von Feedback im Rahmen eines Development-Centers auf die Selbstbild-Fremdbild-Kongruenz (Doctoral dissertation).