Führung im Wandel: Zeit für ein neues Führungsverständnis
Führung im Wandel – Leadership of Tomorrow (2)
Führung im Wandel – im ersten Beitrag der Artikelreihe „Leadership of Tomorrow“ wurde primär die Frage behandelt, inwiefern sich der Wandel der Arbeitswelt auf führungsrelevante Kompetenzen auswirkt. Hierbei wurden in erster Linie externe Einflussfaktoren betrachtet, die zur Veränderung der Führungsanforderungen beigetragen haben. Auf Grundlage dieser thematischen Einordnung stellt sich nun jedoch die Frage, inwiefern das grundsätzliche Führungsverständnis von den beschriebenen Entwicklungen und Auswirkungen des Arbeitsweltwandels beeinflusst wird.
Wegen der thematischen Relevanz dieser Frage, werden neben dem bereits thematisierten Wandel der Arbeitswelt auch die Veränderung des Führungsverständnisses sowie der damit einhergehende Führungskulturwandel als erfolgskritische Einflussfaktoren identifiziert und im Folgenden näher betrachtet.
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Inhalt
Das neue Führungsverständnis
Nach Lutz von Rosenstiel wird Führung als eine „zielbezogene Einflussnahme“ verstanden, die zur konstruktiven Zusammenarbeit beiträgt und Mitarbeiter dabei unterstützt individuelle sowie kollektive Ziele zu erreichen. Die Zielesetzungen sind abhängig von der unternehmensspezifischen Situation und können die Erhöhung des Umsatzes, die Verbesserung des Betriebsklimas oder die Sicherstellung gewisser Qualitätsstandards umfassen (vgl. Rosenstiel, 2009, S.3).
Um jedoch die Erreichung der beispielhaft genannten Ziele in Zeiten von digitalisierten Arbeitsstrukturen gewährleisten zu können, müssen die veränderten Führungsanforderungen erkannt, in führungsrelevante Kompetenzen übersetzt und an die entsprechenden Personen vermittelt werden. Im Hinblick auf den kontextspezifischen Zusammenhang, bildet unter Berücksichtigung der veränderten Anforderungen vor allem das Verständnis effektiver Führung den zentralen Ansatzpunkt für die unternehmensstrategische Ausrichtung der Maßnahmen zur Entwicklung von Führungskräften.
In Bezug auf die Veränderung des Führungsverständnisses und den damit einhergehenden Führungskulturwandel, konnte im Rahmen unterschiedlicher Studien beobachtet werden, dass sich das grundsätzliche Führungsverständnis im Laufe der Jahre „von einer Position, die man besetzt hatte, hin zu einem täglichen Prozess, den es zu gestalten gilt“ (Leidenfrost/Küttner, 2014, S. 39) entwickelt hat. Wie die folgende Tabelle zeigt, konnten die Veränderungen in unterschiedlichen Kernaspekte zusammengefasst werden und umfassen unter anderem den Verantwortungsbereich sowie die Rolle und das Selbstverständnis einer Führungskraft.
Weg von ... | Hin zu ... |
---|---|
... belohnt werden als Held / Star | ... belohnt werden für das Erfolgreich-machen anderer |
... dem unabhängigen Entscheidungsführer | ... vielen wechselseitig abhängigen Entscheidungsprozessen, die es zu steuern gilt |
... erarbeiten und halten des strategischen Kurses | ... strategisch steuern und anpassen, während man geht |
... logisch und rational | … emotional und gefühlsbetont |
… wettbewerbsorientierte Territorien | … kooperativer Zusammenarbeit |
Tabelle 1: Kernaspekte der Veränderungen des Führungsverständnisses. Quelle: Leidenfrost/Küttner, 2014, S. 39.
Um jedoch weitere führungsrelevante Einfluss- und Erfolgsfaktoren aus dem thematischen Kontext ableiten zu können, ist es nicht nur wichtig die in Tabelle 1 dargestellten Führungsanforderungen zu kennen, sondern auch die Faktoren zu verstehen, welche zu diesen Entwicklungen geführt haben. Im Folgenden werden daher drei zentrale Faktoren betrachtet, welche zur Veränderung des Führungsverständnisses und dem damit einhergehenden Führungskulturwandel geführt haben.
Führung im Wandel
"von einer Position, die man besetzt hatte, hin zu einem täglichen Prozess, den es zu gestalten gilt"
Globalisierung
Komplexität
Informationen
Abbildung 1: Führung im Wandel. Quelle: Eigene Darstellung, 2021.
Im Hinblick auf die Veränderung des grundsätzlichen Führungsverständnisses und den dadurch bedingten Führungskulturwandel, muss die Reihe der bereits beschriebenen Einflussfaktoren um diese Dimensionen erweitert werden.
1. Globale Führungsstrukturen
Unter dem Begriff der Globalisierung ist die „zunehmende Entstehung weltweiter Märkte für Waren, Kapital und Dienstleistungen sowie die damit verbundene internationale Verflechtung der Volkswirtschaften“ (BpB, 2016) zu verstehen.
Der Prozess der Globalisierung wird primär durch technologische Innovationen „im Kommunikations-, Informations- und Transportwesen sowie neu entwickelten Organisationsformen der betrieblichen Produktionsprozesse vorangetrieben“ (BpB, 2016).
Basierend auf dieser Entwicklung, muss Führung in einer globalisierten, digitalisierten, automatisierten und individualisierten Arbeitswelt als zielbezogene, multidimensionale und zunehmend virtuelle Einflussnahme von Mitarbeitern verstanden werden.
Unter Berücksichtigung aller beschriebenen Einflussfaktoren und deren Auswirkungen beginnt das heutige Verständnis von effektiver Führung „mit der technischen Organisation von Kommunikationskanälen und virtuellen Treffpunkten, umspannt ein internationales Verständnis und Einstimmungen auf verschiedene Kulturen, Märkten und Gepflogenheiten und endet mit der ganz persönlichen Steuerung der eigenen Lebensqualität zwischen Zeit- und Klimazonen“ (Leidenfrost/Küttner, 2014, S. 39f.).
2. Komplexität der Führungsanforderung
Neben der Globalisierung umfasst der zweite zentrale Treiber des Führungswandels die zunehmende Komplexität der Arbeitswelt. Diese wird primär durch die wachsende gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der Digitalisierung bedingt und stellt Führungskräfte vermehrt vor die Herausforderung sich in einem Arbeitsumfeld mit virtuellen Unternehmensstrukturen zurechtfinden zu müssen.
Im Hinblick auf die Sicherstellung effektiver Führung unter dynamischen Bedingungen, kann der strategische Umgang mit Komplexität als erfolgskritischer Faktor betrachtet und durch innovationsorientiertes, kooperatives sowie analytisches Verhalten seitens der Führungskraft bewältigt werden. Damit jedoch führungsverantwortliche Mitarbeiter:innen diesen Anforderungen gerecht werden können, sollten im Rahmen der Führungskräfteentwicklung Maßnahmen ergriffen werden, welche übergeordnet darauf abzielen vernetzte Zusammenhänge effizienter herstellen zu können, ein differenziertes Kontextverständnis zu entwickeln und die individuelle Resilienz zu steigern. Die Fähigkeit der Resilienz spielt neben dem zweiten auch in Bezug auf den dritten Veränderungsfaktor eine zentrale Rolle und kann im Allgemeinen als „die menschliche Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Lebensumständen“ (Henniger, 2015, S. 158) verstanden werden.
3. Störanfälligkeit durch Omnipräsenz von Informationen
Der dritte Veränderungsfaktor, welcher das grundsätzliche Verständnis effektiver Führung und die damit verbundene Führungskräfteentwicklung beeinflusst, umfasst die steigende Störanfälligkeit der Arbeits- und Führungstätigkeit durch die Omnipräsenz von Informationen.
Gemäß US-amerikanischer Forschungen, „verbringen Führungskräfte durchschnittlich max. 11 Minuten mit einer Aufgabe, bevor eine Unterbrechung kommt. Danach dauere es im Vergleich ca. 25 Minuten, bis der Betreffende wieder zur ursprünglichen Aufgabe zurückkehren kann“ (Leidenfrost/Küttner, 2014, S. 41).
Um dem drohenden Risiko eines Produktivitätsverlusts durch zunehmende Ablenkungsfaktoren entgegenzuwirken, sollten Führungskräfte dazu befähigt werden unnötige Informationen systematisch zu filtern und relevante gezielt aufzunehmen. Maßnahmen, die im Rahmen der Führungskräfteentwicklung ergriffen werden, sollten demnach darauf abzielen die Aufmerksamkeitsfokussierung zu stärken sowie die Konzentrationsfähigkeit zu fördern.
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Fazit
Anhand der beschriebenen Faktoren und den abgeleiteten Führungsanforderungen kann an dieser Stelle zusammenfassend festgehalten werden, dass effektive Führung im digitalen Zeitalter unterschiedliche Elemente der Neurowissenschaften und der Strategiebildung integriert. Der primäre Fokus der strategischen Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen sollte demnach übergeordnet auf beziehungsorientierte und transformationale Aspekte gelegt werden.
BpB [Bundeszentrale für politische Bildung]. (2016). Globalisierung. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19533/globalisierung.
Henninger, M. (2015). Resilienz. In: Frey, D. (Hrsg.): Psychologie der Werte – Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basiswissen aus Psychologie und Philosophie, S. 158-165. Springer.
Leidenfrost, J.; Küttner, A. (2014). Aus der Praxis für die Praxis: ganzheitliche Dimensionen einer zukunftsfähigen Führungskräfteentwicklung. In: Eck, C.D.; Leidenfrost, J.; Küttner, A.; Götz, K. (Hrsg.): Führungskräfteentwicklung – Angewandte Psychologie für Managemententwicklung und Performance-Management, S. 33-66. Springer.
Rosenstiel, L. (2009). Grundlagen der Führung. In: Von Rosenstiel, L.; Regnet, E.; Domsch, M.E. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern – Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, S. 3-27. 7. Aufl. Schäffer-Poeschel.
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