Führungskompetenzen in einer virtuellen Arbeitswelt

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Wandel der Arbeitswelt – Leadership of Tomorrow (1)

„Leadership of Tomorrow“ – selten gab es ein personalwirtschaftliches Thema was in Fachkreisen kontroverser diskutiert wurde als dieses. Die Frage wie erfolgreiche Führung zukünftig gestaltet werden kann, war nie brisanter als derzeit und wird uns nach aller Vorausicht noch eine Weile beschäftigen. Doch wie ist es überhaupt dazu gekommen?

Um diese Frage zu beantworten, werden im Rahmen dieses Artikels technologische, globale sowie gesellschaftliche Entwicklungen thematisiert, die dazu beigetragen haben, dass bisherige Führungskonzepte neu interpretiert werden sollten.

Wandel der Arbeitswelt

Übergeordnet stellt der voranschreitende Wandel der Arbeitswelt den zentralen Einflussfaktor in Bezug auf Führung dar. Entwicklungen wie die Digitalisierung, die Automatisierung sowie die Individualisierung zählen zu den wesentlichen Treibern dieses Wandels. Aufgrund ihrer kontextspezifischen Relevanz werden diese strukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen sowie deren organisatorische Auswirkungen auf Unternehmen im weiteren Verlauf näher betrachtet.

Arbeitswelt im Wandel

1. Digitalisierung & Automatiserung

Es ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr, dass die Digitalisierung die wohl tiefgreifendste Entwicklung der letzten Jahrzehnte darstellt und die Basis für viele disruptive Innovationen bildet. Nichtsdestotrotz sollte in diesem thematischen Zusammenhang die grundlegende Bedeutung dieses weitreichenden Begriffes abgegrenzt werden.

Im Wesentlichen wird unter der Digitalisierung „ein durch technologische Entwicklungen getriebener bzw. ermöglichter Transformationsprozess von Unternehmen bzw. ganzen Branchen, der weitreichende strategische, organisatorische sowie soziokulturelle Veränderungen mit sich bringt“ (Petry, 2016, S. 19), verstanden.

Auf Grundlage dieser Veränderungen hat sich im Laufe der Zeit vor allem die Automatisierung zu einem elementaren Treiber des digitalen Wandels entwickelt. Im Hinblick auf die Automatisierung spielt in erster Linie der zunehmende Einsatz intelligenter Maschinen bei unternehmensinternen Arbeitsprozessen eine entscheidende Rolle, da diese vermehrt komplexe Aufgaben übernehmen können und somit die Anforderungen an die menschliche Arbeitstätigkeit grundlegend verändern. Als Beispiel sind an dieser Stelle intelligente Computersysteme anzuführen, welche die Planung, Steuerung und Verwaltung von Arbeitsprozessen automatisieren können (vgl. Gerdenitsch/Korunka, 2019, S. 3ff.).

2. Individualisierung

Neben der Digitalisierung und der Automatisierung stellt der dritte wesentliche Treiber des Arbeitsweltwandels die zunehmende Individualisierung der Arbeitnehmer:innen dar. Hierbei handelt es sich um einen Arbeitskrafttypen, der, im Rahmen einer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, von unternehmerischen Denkweisen geprägt ist, jedoch in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt wird. Die drei wesentlichen Merkmale, die diesen Arbeitskrafttypen charakterisieren, umfassen Selbstkontrolle, Selbstvermarktung sowie Selbstrationalisierung. Diese Faktoren führen dazu, dass Arbeitnehmer:innen vermehrt gefordert werden sich selbst zu kontrollieren und somit mehr Verantwortung für ihre eigene Arbeitsleistung übertragen bekommen (vgl. Gerdenitsch/Korunka, 2019, S. 3ff.).

3. Organisatorische Auswirkungen auf Unternehmen

Im Hinblick auf die organisatorischen Folgen dieser Entwicklungen können aus Sicht der Unternehmen zwei wesentliche Auswirkungen abgeleitet werden. Diese umfassen den steigenden Einsatz von flexiblen Arbeitsformen sowie die dadurch bedingten Veränderungen der Arbeitstätigkeit.

Flexible Arbeitsformen, wie beispielsweise Gleitzeit oder Telearbeit, zielen primär darauf ab, die Entscheidungsautonomie der Arbeitnehmer:innen im Hinblick auf Ort und Zeit der individuellen Arbeitstätigkeit zu erhöhen und sind übergeordnet als Ergebnis der beschriebenen Entwicklungen anzusehen. Im Gegensatz zur Gleitzeit, bei der es vor allem um die flexible Gestaltung des zeitlichen Arbeitsrahmens geht, besteht das wesentliche Merkmal der Telearbeit darin, dass die Arbeitnehmer:innen frei über den Ort entscheiden können, an dem sie ihre Arbeitstätigkeit verrichten. Somit beschreibt Telearbeit eine „dezentralisierte Bürotätigkeiten, die durch die Nutzung von geeigneten Informations- und Kommunikationstechnologien möglich sind“ (Gerdenitsch/Korunka, 2019, S. 9).

Dieses flexible Arbeitsmodell genießt derzeit eine außerordentliche Stellung im gesellschaftspolitischen Kontext, da der Einsatz von „Home-Office“ der Kategorie „Telearbeit“ zu zuordnen ist und dies das zentrale Arbeitsformat während der globalen Corona-Pandemie darstellt.

Einfluss auf führungsrelevante Kompetenzanforderungen

Um jedoch ein erfolgreiches Change-Management der beschriebenen Arbeitsformate gewährleisten zu können, sind neue Formen einer effektiven Zusammenarbeit erforderlich. Auf Grundlage der derzeitigen Ausnahmesituation, wird in Unternehmen verstärkt in virtuellen Teams zusammengearbeitet.

„Als virtuelle Teams werden flexible Arbeitsgruppen standortverteilter und ortsunabhängiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezeichnet, die auf der Grundlage von gemeinsamen Zielen bzw. Arbeitsaufträgen ergebnisorientiert geschaffen werden und informationstechnisch vernetzt sind“ (Konradt/Hertel, 2002, S.18).

Wie aus dieser Definition hervorgeht, stellt die Kooperation in virtuellen Teams eine besondere Form der Zusammenarbeit dar, die mit traditionellen Führungsmethoden nicht effektiv koordiniert werden kann. Im Hinblick auf eine effektive Führung virtueller Arbeitsgruppen bedarf es daher der Vermittlung von Führungskompetenzen in den Bereichen virtuelle Zusammenarbeit, virtuelle Sozialisation sowie virtuelle Kommunikation.

Kompetenz

Beschreibung

virtuelle Zusammenarbeit

  • Etablierung eines dynamischen und kreatives Arbeitsklimas
  • Bereitstellung von digitalen Dokumenten, welche von allen Teammitgliedern bearbeitet werden können
  • Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über virtuelle Arbeits- und Verhaltensweisen

virtuelle Sozialisation

  • Regelmäßiger und proaktiver Austausch über aktuelle Arbeitsprozesse
  • Feedback für abgeschlossene Aufgaben
  • Anerkennung individueller sowie kollektiver Erfolge
  • Würdigung von Selbstständigkeit & Verantwortungsbewusstsein

virtuelle Kommunikation

  • Sicherstellung von schneller & transparenter Kommunikation
  • Vermeidung unklarer oder missverständlicher Formulierungen, um potentiellen Missverständnissen vorzubeugen
  • Verwendung von Zeichen in E-Mails, um Emotionen besseren Ausdruck zu verleihen
Tabelle 1: Kompetenzen für eine erfolgreiche Führung virtueller Teams. Quelle: Eigene Darstellung (in Anlehnung an Gerdentisch/Korunka, 2019, S. 168).

Die in Tabelle 1 beschriebenen Kompetenzen können durch Maßnahmen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung vermittelt werden und stellen aus unternehmensstrategischer Perspektive einen zentralen Erfolgsfaktor des digitalen Zeitalters dar.

In Bezug darauf sollten Mitarbeiter:innen schwerpunktmäßig dazu befähigt werden „fehlende nonverbale Hinweisreize in virtueller Kommunikation zu kompensieren und dabei Missverständnisse zu vermeiden oder auch Konflikte bei virtueller Zusammenarbeit zu lösen“ (Gerdenitsch/Korunka, 2019, S. 176).

Übergeordnet trägt die Vermittlung digitaler Kompetenzen zur Anpassung an die veränderten Strukturen der Arbeitswelt bei und ermöglicht es dadurch die Unternehmensleistung zu steigern und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Da der steigende Einsatz virtueller Teams eine besonders zukunftsrelevante Kooperationsform darstellt, empfiehlt es sich für Organisationen, unter Berücksichtigung der beschriebenen Einfluss- und Erfolgsfaktoren, aktuelle Organisationsmodelle kritisch zu hinterfragen sowie Führungsansätze neu zu interpretieren, um den Anforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt gerecht zu werden.

Ein innovativer Führungsansatz, welcher im Zuge dessen unbedingt berücksichtigt werden sollte, stellt „Remote Leadership“ dar. Da diesem digitalen Führungskonzept derzeit eine außerordentliche Relevanz zuteil wird, möchte ich an dieser Stelle auf den Artikel von Felix Hirn verweisen, welcher im Rahmen seines Beitrags ein Modell für wirksame Führung auf Distanz vorstellt.

Remote Leadership

25 durchgeführte Interviews, 3 Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und 1 Modell für Remote Leadership in der neuen Normalität

Gerdenitsch, C.; Korunka, C. (2019). Digitale Transformation der Arbeitswelt – Psychologische Erkenntnisse zur Gestaltung von aktuellen und zukünftigen Arbeitswelten. In: Brodbeck, F.C.; Kirchler, E.; Woschée, R. (Hrsg.): Die Wirtschaftspsychologie, S. 1- 187. Springer.

Konradt, U.; Hertel, G. (2002). Management virtueller Teams – Von der Telearbeit zum virtuellen Unternehmen. Beltz.

Petry, T. (2016). Digital Leadership – Erfolgreich führen in
Zeiten der Digital Economy. 1. Aufl. Haufe Gruppe.